rappaport 01

81. Produktion

Ich bin nicht Rappaport

Spielzeit: 2007 | Originaltitel: I'm not Rappaport | Genre: Komödie | Autor: Herb Gardner | Regie: Gabi Wieland | Darsteller: Jürgen Lindner, Arnold Lindner, Uwe Schaar, Rita Krock, Oliver Kandula, Johanna Schubert, Kevin Heibel | Souffleuse: Hannelore Mies | Bühnenbild: Herbert O. | Kulissenbau: Bernd Bittner, Doris Crone, Kevin Heibel, Herbert O., Claudia Poveleit, Susanne Rossbach, Julia Velten, Stefan Velten | Bühnentechnik: Michael Fischer, Oliver Lammersdorf | Maske: Susanne Rossbach | Fotos: Uwe Schaar | Mediendesign: Kevin Heibel und Oliver Kandula (Companile) | Premiere: 29.09.07


Der 81-jährige Nat Moyer ist ein leidenschaftlicher und fantasievoller Dauerredner, ein unglaublicher Philosoph und Unruhestifter, der gerne in andere Rollen schlüpft. Er teilt täglich seinen Platz auf einer Parkbank mit dem halbblinden Hausmeister Midge Carter, der sich seinerseits durch Bodenständigkeit und einen ausgeprägten Realitätssinn auszeichnet. Diese beiden alten Herren stellen sich auf außergewöhnliche Art und Weise der Alltagswelt mit ihren Bedrohungen, wie der Aussonderung aus Berufsleben und Wohnsituation, Auseinandersetzungen mit Drogendealern, Schikanen durch Straßenräuber oder dem „Schreckgespenst“ Altenheim. Spieldauer ca. 120 Minuten + Pause.

Aufführungstermine
Samstag, 29.9., Freitag, 5.10., Samstag, 6.10., Freitag, 12.10., Samstag, 13.10., Freitag, 19.10., Samstag, 20.10., Freitag, 26.10., Samstag, 27.10., Freitag, 2.11., Samstag, 3.11. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 20 Uhr.

Hintergrund
Herb (eigentlich Herbert George) Gardner, geboren 1934 und verstorben 2003 in New York, kam schon als Teenager durch Teilzeitjobs zum Theater. 1958 veröffentlichte er seinen einzigen Roman „A Piece of the Action“, bevor er sich als Cartoonist, Maler, Bildhauer und vor allem als Stückeschreiber betätigte. Mehrere seiner Werke wurden verfilmt, darunter „A Thousand Clowns“ (1965). Sein Drehbuch hierzu wurde für den Oscar nominiert, die Verfilmung erhielt schließlich vier der bekannten Trophäen.

Gardners größter internationaler Erfolg war die preisgekrönte Komödie „I'm not Rappaport“ („Ich bin nicht Rappaport“), die am Broadway, im Londoner Westend und in Deutschland (u. a. mit Berhard Minetti) gespielt wurde. Verfilmt wurde sie 1996 mit Walter Matthau und Ossie Davis in den Rollen von Nat und Midge.

Titel und Dialogzeile „Ich bin nicht Rappaport“ gründen auf einem alten Vaudeville-Schwank – eine Art von Varieté-Unterhaltung, die von ca. 1880 bis in die 1930er Jahre in Nordamerika sehr populär war.

 „Ich bin nicht Rappaport“ in der oase
Anfang 2006 schlagen die  „Lindners“ das Stück vor – Arnold und Jürgen (nicht verwandt und nicht verschwägert) hatten schon bei  „Sonny Boys“ (2002) zwei alternde Männer mit viel Spaß gespielt. Die Suche nach der Regie beginnt. Wem ist das Thema nicht zu anspruchsvoll, zu langweilig? Wer hat Nerven für die männlichen Diven? Nach dem zweiten Lesen hatte mich das Stück gepackt, wollte ich es realisiert sehen. Hohes Alter steht im Theater selten im Mittelpunkt, sich auf tragikomische Weise dem Thema zu nähern ist eine Herausforderung.

Die  „demografische Entwicklung“ ist ein Begriff, den wir täglich neben Erderwärmung und Globalisierung hören. Weniger Schulkinder und Rentenzahler, mehr Demenzkranke – gerne verdrängen wir, dass uns dies direkt betrifft. Nicht erst ab 70 sind wir mit der Frage nach Lebens-, ja Überlebensmöglichkeiten im Alter konfrontiert. Jeder hat (Groß-)Eltern, Nachbarn, die vielleicht bald gepflegt werden müssen und über denen die Frage schwebt  „Wie lange schafft sie/er das noch allein?“ 

Was Nat und Midge im Stück in New York erleben, ist auch Alltag bei uns: alte abgeschobene Menschen, Kinder, die ratlos Möglichkeiten für ihre Eltern durchspielen, Arbeitgeber, die mit Abfindungen beruhigen, Jugendliche, für die Alte ein Ärgernis sind. Unfassbar, dass ein so drängendes Thema keinen Aufschrei heraufbeschwört, keine Streiks, keine Boykotts. Millionen wissen nicht, wie sie ihren  „Lebensabend“ verbringen können, sie packt der Horror angesichts sedierter Heimbewohner, horrender Preise für häusliche Betreuung und angesichts des Desinteresses der Gesellschaft.

Der Energiekrise begegnen wir mit vielen Gesetzen, Fördermitteln, veränderten Lebensgewohnheiten – wann tun wir dies für die Alterskrise? Alter boomt: in Ratgebern, in Talkshows, aber nicht bei wirklichen Lösungsansätzen.

Das Faszinierende an diesem Theaterstück ist, dass die beiden Alten es schaffen, uns nicht zum Jammern, sondern mit ihrem Lebenswitz zum Lachen zu bringen. Die eigentliche Botschaft ist die Hochachtung vor alten Menschen, die ihr Schicksal selbst erträglich gestalten, mit den Mitteln des Humors und der Selbstironie überleben und trotz ihrer „Entsorgung“ ihre Würde bewahren.

–Gabi Wieland


„Nehmen Sie es ernst: Es geht um die Hälfte Ihres gelebten Daseins, um eine Lebensspanne, die mindestens so lange dauert wie Geburt, Kindheit, Jugend und Ausbildung. Vergessen Sie alle Fehlalarme der letzten Jahrzehnte. [ ... ] Unser Altern wird nicht gemütlich sein. Es wird keine Ohrensessel, Kaminfeuer und Vorratskammern geben. Wir können nicht zu Hause bleiben. Wir müssen losziehen, solange wir noch stark und selbstbewusst sind. Selten hat eine Gesellschaft so klar sagen können wie die unsere: Wir müssen in den nächsten 30 Jahren ganz neu lernen zu altern, oder jeder Einzelne der Gesellschaft wird finanziell, sozial und seelisch gestraft. Es geht um die Befreiung jenes unterdrückten und unglücklichen Wesens, das wir verdrängen und das heute noch nicht existiert. Es geht um unser künftiges Selbst.“

–Frank Schirrmacher, „Das Methusalem-Komplott“
 

„Ihr sammelt alte Möbel, alte Autos, alte Bilder, alles was alt ist, sammelt Ihr – außer alten Menschen. Schlechte Souvenirs, sie reden zuviel. Selbst wenn sie schweigen, erzählen sie noch zuviel, in ihnen zeigt sich die Zukunft, und von der wollt Ihr nichts wissen. [ ... ] diese Altchen, [ ... ] packt sie zu ihresgleichen, steckt sie in ein Haus, bloß verfrachtet sie irgendwohin. Eines Tages werdet auch Ihr zu diesem unheimlichen Stamm gehören. Ja, [ ... ] auch Sie werden einmal alt werden [ ... ]. Sehen Sie uns an. Wir (die Alten) sind die kommenden Attraktionen. Und solange Ihr davor Angst habt, habt Ihr auch Angst vor uns. Ihr wollt uns verstecken oder das wir uns vor Euch verkriechen. Ihr blöden Hunde, versteht Ihr denn nicht? Die Alten, das sind die Überlebenden, die wissen etwas, die sind nicht einfach nur zu lange geblieben, um Euch Euer Fest zu vermiesen.“

„[ ... ] wenn Sie ihm sagen, er sei überflüssig, werde nicht gebraucht, dann ist das eine Sünde, das ist eine Sünde wider das Leben, das ist Abtreibung am anderen Ende.“

–Nat zu Danforth in „Ich bin nicht Rappaport“



 

Pressebericht Westerwälder Zeitung | 01.10.07 | Autor: Hans-Peter Metternich

Umgang mit dem Alter ging dem Publikum unter die Haut

Oase-Premiere von Gardners „Ich bin nicht Rappaport“ in Montabaur

Montabaur.
 Bei der „oase“ in Montabaur steht in der laufenden Spielzeit das Stück von Herb Gardner, „Ich bin nicht Rappaport“ auf dem Plan. Bis zum 3. November wird diese Komödie mit tiefem, ernstem Hintergrund jeweils freitags und samstags um 20 Uhr im Amateurtheater am „Alten Galgen“ aufgeführt. Der Umgang mit der Alterskrise ging den Zuschauern bei der Premiere am Samstagabend merklich unter die Haut.

 „Ihr sammelt alte Möbel, alte Autos, alte Bilder, alles was alt ist – außer alten Menschen“. Der Monolog eines betagten Fantasten auf einer Parkbank beschreibt ein Phänomen der heutigen Zeit, das die Komödie von Herb Gardner „Ich bin nicht Rappaport“ treffsicher widerspiegelt. Jürgen Lindner und Arnold Lindner stehen als Nat Moyer und Midge Carter im Mittelpunkt des Stückes, mit dem das Amateurtheater  „die oase“ am Samstag ihre jüngste Spielzeit eröffnete. Spielleiterin Gabi Wieland bei der Begrüßung der Premiere-Gäste im ausverkauften Haus: „Wir haben das heikle Thema der Alterskrise aufgegriffen, und wir wollen es auf die uns eigene, gewohnte Oase-Art mit Augenzwinkern und mit einem Lächeln auf den Lippen rüberbringen“.

Das Laienspielerpaar Jürgen und Arnold Lindner (übrigens weder verwandt noch verschwägert) verkörpern die Rollen eines leidenschaftlichen und fantasievollen Dauerredners und eines halb blinden Hausmeisters in professioneller Manier. Die Beiden haben es in der Tat geschafft, den ernsten Themen wie Drogenabhängigkeit und Dealen, Vater-Tochter-Konflikt und Altenheim, Schutzgelderpressung und Kommerz einen Hauch von Heiterkeit zu entlocken. Auch wenn den Zuschauern manchmal das Lachen im Halse stecken zu bleiben drohte, das Augenzwinkern und das Lächeln auf den Lippen blieben nicht aus. Äquivalente Partner an der Seite des kauzigen Philosophen und Unruhestifters Nat und des eher bodenständigen Midge waren die blutjunge und drogenabhängige Laurie (Johanna Schubert), Hausverwalter Danforth (Uwe Schaar), der Straßenräuber Gilley (Oliver Kandula), der Dealer (Kevin Heibel) und Clara, die Tochter von Nat (Rita Krock).

Bei dem jüngsten Stück in der „oase“ halten die beiden Herren Lindner und Lindner den Zeitgenossen den Spiegel vor und schildern die Alltagswelt mit ihren vielen Bedrohungen, wie der Aussonderung aus Berufsleben und Wohnsituation oder dem Schreckgespenst Altenheim. „Abtreibung am anderen Ende“ nennt Nat die Abschiebung der Alten ins allerletzte Glied eines Heimes oder Hospizes. „Eine geniale Vorstellung“ nannten die begeisterten Premieregäste die Aufführung des zeitkritischen Stückes im Amateurtheater „die oase“. Das Stück „Ich bin nicht Rappaport“ wird ohne Zweifel an den kommenden Freitagen und Samstagen bis zum dritten November noch viele Theaterfreunde in seinen Bann ziehen.


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