99. Produktion
Andorra
Spielzeit: 2/2016 | Genre: Drama | Autor: Max Frisch | Regie: Jürgen Lindner | Co-Regie: Hannelore Mies | Darsteller: Mauritius Kloft, Elisa Schäfer, Michael Musil, Eva Fodor, Angelika Jacobeit, Hans Schilling, Florian Deussen, Gordana Meudt, Helmut Kämmerling, Kevin Heibel, Carsten Hain, Bernd Bittner | Souffleuse: Hannelore Mies |Kulissenbau: Oliver Krock, Volker Müller-Strunk, Rita Krock, Oliver L. | Technik: Oliver Lammersdorf, Gabi Greher, Maren Schaar, Wiebke Becker | Fotos: Klaus Manns | Layout und Werbung: Michael Musil | Premiere: 22.10.16
Der Autor Max Frisch war selbst im Zweifel, wie er sein Stück „Andorra“ zu bewerten hatte: „Gemeint ist natürlich nicht der wirkliche Kleinstaat dieses Namens; nicht das Völklein in den Pyrenäen, das ich nicht kenne; auch nicht ein anderer wirklicher Kleinstaat, den ich kenne; Andorra ist der Name für ein Modell.“ Und dieses Modell hat in seiner zeitlosen Brisanz nichts verloren. Uraufgeführt im Züricher Schauspielhaus Anfang November 1961, greift die Oase in Montabaur – anläßlich des 25. Todesjahres von Max Frisch – dieses Thema auf.
Die Einwohner Andorras fürchten den Angriff der „Schwarzen“, eines mächtigen Nachbarvolks, das Juden verfolgt und ermordet. Auch die patriotischen Andorraner haben eine Vielzahl antisemitischer Vorurteile. Unter diesen Vorurteilen leidet Andri, die Hauptperson des Dramas, der seit seiner Kindheit vom Lehrer Can als jüdisches Pflegekind ausgegeben wurde. Erst später kommt ans Tageslicht, dass Andri der Sohn Cans aus einer außerehelichen Beziehung mit einer „Schwarzen“ ist. Um seine Vaterschaft geheim zu halten, behauptet der Lehrer, er habe Andri als jüdisches Kind vor den „Schwarzen“ gerettet.
Das Stück beginnt am Vortag des Sanktgeorgstags. Barblin, die Tochter des Lehrers, weißelt das Haus ihres Vaters, wie alle Mädchen an diesem Tag. Dabei wird sie von einem Soldaten beobachtet und mit anzüglichen Witzen belästigt. Der Pater drückt das Selbstverständnis der Andorraner aus, sie seien ein friedliches, schwaches und frommes Volk. Doch verschiedene Vorzeichen weisen bereits auf eine kommende Katastophe hin.
Max Frisch selbst zu dem Sinn seines Stückes: „Die Schuldigen sind sich keiner Schuld bewußt, werden nicht bestraft. Sie haben nichts Kriminelles getan. Ich möchte keinen Hoffnungsstrahl am Ende, ich möchte vielmehr mit diesem Schrecken, ich möchte mit dem Schrei enden, wie skandalös Menschen mit Menschen umgehen.“
Bedarf es angesichts der heutigen Situation in der Welt und in Deutschland noch weitergehender Worte?
Pressebericht Nassauische Neue Presse | 22.10.16 | Autorin: Anken Bohnhorst-Vollmer
„Andorra“ ist überall
Wie dicht Schuld und Unschuld beieinanderliegen, ist heute Abend bei der Premiere des Amateurtheaters „Oase“ zu erleben. Das Ensemble zeigt Max Frischs beklemmendes Bühnenstück „Andorra“.
Es geht um Schuld und Unschuld, um den schmalen Grat zwischen Gutgläubigkeit, Naivität und Feigheit und um die Wahrnehmung der eigenen Person im Kontext der Gesellschaft. Andorra ist dabei eine beliebige Ortsangabe; möglich sind diese Konstellationen und deren Folgen überall und zu jeder Zeit: Der Lehrer des Ortes (Michael Musil) hat mit einer früheren Geliebten (Angelika Jacobeit) einen Sohn. Da die Geliebte „eine der Anderen“, eine Außenseiterin, ist, wird der Gesellschaft, vor allem aber dem Sohn Andri (Mauritius Kloft) erklärt, er sei ein jüdisches Findelkind und vom Lehrer gerettet worden. Das ist die gefällige Grundlüge und Schuld, die der Lehrer auf sich nimmt und die er durch seine vorgebliche Großtat zur Unschuld wenden will.
Doch die Aversionen allem Fremden, ungewohnt Anderem gegenüber wachsen, weshalb auch der mutmaßliche Jude Andri immer mehr ins gesellschaftliche Abseits gerät. Der Soldat (Florian Deussen) demütigt ihn, der Tischler (Helmut Kämmerling) reduziert ihn auf einen ehrgeizigen, raffgierigen Verkäufer, der Tischlergeselle (Kevin Heibel) hintergeht ihn, der Priester (Hans Schilling) attestiert ihm „mehr Verstand als Gefühl“, was ihn zum Sonderling mache. Und auch der Doktor (Bernd Bittner) diagnostiziert lediglich die Andersartigkeit. Die Wirtin (Gordana Meudt) und Jemand (Carsten Hain) schlagen sich ebenfalls bereitwillig auf die Seite derer, die sich für unschuldig an Andris Ausgrenzung halten, weil sie in der Überzahl sind. „Wir sind ein Volk ohne Schuld“, deklamiert Bernd Bittner kraftvoll und erschreckend überzeugend. Als Andris Fürsprecher treten die Frau des Lehrers (Eva Fodor) und Halbschwester Bablin (Elisa Schäfer) auf. Doch ihre Unterstützung ist leise, zu leise, um in diesem Drama vernommen zu werden. So verlieren auch sie ihre Unschuld.
Kollektive Schuld
Sichtbar gemacht wird diese kollektive Schuld auf der Bühne der Oase durch die Präsenz aller Beteiligten: Aufgereiht sitzen sie bei diesem Kammerspiel im Hintergrund und treten allein für ihre Szene dem Zuschauer entgegen, um diesen zu überzeugen, um ihn zum Mitwisser und Mitschuldigen, zum Volk zu machen. Aber „ich werde dieses Volk vor seinen Spiegel zwingen“, ruft der Lehrer, weil jeder dabei ist – und sich der Wahrheit stellen muss. Auch Andri, der Andere, denn: „Das Böse hat jeder in sich!“
Auch schauspielerisches Talent hat jeder dieser Oasianer in sich. Großartige Leistungen zeigen besonders die drei jungen Mitglieder des Ensembles. Florian Deussen als brutaler, gefühlskalter Soldat. Mauritius Kloft als wuchtiger, aber orientierungssuchender Andri, und Elisa Schäfer als einfühlsame und zerbrochene Bablin. Sie spannt den Rahmen um dieses verstörende Gesellschaftspanorama, indem sie sowohl am Anfang als auch am Ende die Szenerie mit weißer Farbe übertüncht. Unter dieser dünnen Schicht mag es weiter brodeln oder verlogen schweigsam zugehen, wie Jemand fordert: „Einmal muss man auch vergessen können.“ – Diese Produktion wird noch lange für Gesprächsstoff sorgen.
Nach der Premiere heute um 20 Uhr, gibt es weitere Vorstellungen am 28./29. Oktober, am 4./5./11./12./19./25./27. November sowie am 2. und 3. Dezember. Der Beginn ist jeweils um 20 Uhr, nur die Sonntagsvorstellung ist um 19. Uhr. Der Eintritt kostet 11 Euro. Tickets gibt es unter www.ticket-regional.de.
Pressebericht Westerwälder Zeitung | 24.10.16 | Autor: Hans-Peter Metternich
Oase setzt Frischs „Andorra“
eindrucksvoll um
Der Autor Max Frisch thematisiert am Beispiel des Antisemitismus die Auswirkung von Vorurteilen, die Schuld der Mitläufer und die Frage nach der Identität eines Menschen gegenüber dem Bild, das sich andere von ihm machen. Die Oase hat anlässlich des 25. Todesjahres des Autors dieses Thema aufgegriffen.
Zum Stück: Die Einwohner des fiktiven Staates Andorra fürchten den Angriff der sogenannten „Schwarzen“, eines mächtigen Nachbarvolks, das Juden verfolgt und ermordet. Auch die patriotischen Andorraner haben eine Vielzahl antisemitischer Vorurteile. Unter diesen Vorurteilen leidet Andri, die Hauptperson des Dramas, der seit seiner Kindheit vom Lehrer Can als jüdisches Pflegekind ausgegeben wurde. Erst später kommt ans Tageslicht, dass Andri der Sohn Cans aus einer außerehelichen Beziehung mit einer „Schwarzen“ ist. Um seine Vaterschaft geheim zu halten, behauptete der Lehrer, er habe Andri als jüdisches Kind vor den „Schwarzen“ gerettet. Der Priester nennt Andorra ein friedliches und frommes Land. Doch verschiedene Vorzeichen weisen bereits auf eine kommende Katastrophe hin.
Fünf Monate haben die Oasianer unter der Regie von Jürgen Lindner und dessen Co-Regisseurin Hannelore Mies geprobt. Wie sehr sich diese intensive Arbeit gelohnt hat, haben die Premierengäste eindrucksvoll erfahren. Jeder der zwölf Darsteller schien nicht nur seine Rolle zu (schau-)spielen, die Protagonisten waren quasi leibhaftig der verzweifelte Lehrer Can, der skrupellose Soldat, der scheinheilige Priester, der selbstgefällige Doktor oder die verräterische Wirtin. Als Primus inter pares sei hier Mauritius Kloft genannt, der die Rolle des Hauptakteurs Andri in einer Art und Weise verkörperte, die keinen der Premierengäste unberührt ließ. „Ein starkes Stück mit einem ergreifenden Thema, geht mir richtig unter die Haut“, gestand ein sichtlich bewegter Zuschauer. Der Autor Max Frisch hat den Sinn des Stückes so definiert: „Die Schuldigen sind sich keiner Schuld bewusst, werden nicht bestraft, sie haben nichts Kriminelles getan.“ Die Darsteller dieses aufwühlenden Dramas haben den Sinn des Stückes derart großartig in Szene gesetzt, dass es angesichts der heutigen Situation in der Welt keiner weitergehenden Worte bedarf. Ein Besuch in den nächsten Wochen in der Oase ist für Freunde des hochklassigen Theaters wärmstens zu empfehlen.
Weitere Vorstellungen des Stückes „Andorra“ von Max Frisch führt die Oase auf am 28. und 29. Oktober, am 4., 5., 11., 12., 19., 25. und 27. November sowie am 2. und 3. Dezember jeweils um 20 Uhr, am Sonntag, 27. November, bereits um 19 Uhr. Karten zum Preis von 11 Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr gibt es an allen Vorverkaufsstellen und unter www.ticket-regional.de.
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